Wie eine Vegetarierin durch Wildfleisch zur Fleischesserin und Jägerin wurde
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Vielen Jägern wird unterstellt, es ginge ihnen nur ums Töten. Alena Steinbach widerspricht.
© Quelle: Friso Gentsch dpa/lnw
Hannover. Die Jagdpassion wurde der 29-jährigen Alena Steinbach aus Frankfurt am Main in die Wiege gelegt: Schon ihr Großvater und Vater waren Jäger. Inzwischen ist die gelernte Umweltmanagerin Herausgeberin des Onlinemagazins „Wir jagen“. Mit „Wild kochen!“ (G+U-Verlag, 192 Seiten, 24,99 Euro) erschien kürzlich ihr erstes Buch.
Wieso Wildfleisch Alena Steinbach nach jahrelangem Vegetarismus dazu brachte, wieder Fleisch zu essen, und welche Vorteile es ihrer Meinung nach bietet, erzählt sie im Interview.
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Die 29-jährige Alena Steinbach lebt mit ihrem Freund und mehreren Hunden am Rande von Frankfurt/Main.
© Quelle: Alena Steinbach/GU-Verlag
Frau Steinbach, früher waren Sie überzeugte Vegetarierin, heute sind Sie begeisterte Jägerin und Wildfleischesserin. Wie passt das zusammen?
Ich habe aufgehört, Fleisch zu essen, als ich 13 Jahre alt war – aus Gründen des Tierwohls. Ich finde die konventionelle Tierhaltung, bei der es nur darum geht, dass die Tiere möglichst schnell groß und schlachtreif werden, egal wie viel Antibiotika und Medikamente dafür nötig sind, egal ob sie jemals eine Wiese oder den Himmel gesehen haben, einfach furchtbar und wollte das nicht weiter unterstützen. Natürlich gibt es auch vorbildliche Betriebe, denen es wichtig ist, dass es ihren Tieren gut geht, aber davon existieren leider nur sehr wenige. Über die Jahre, in denen ich vegetarisch gelebt habe, merkte ich, dass mir Fleisch in meinem Leben fehlte, also musste ich eine andere Quelle finden. So bin ich bei der Jagd gelandet. Sie ist für mich der ehrlichste Weg, Fleisch zu essen.
Warum sollte man Wildfleisch essen?
Es gibt keine nachhaltigere, natürlichere und gesündere Fleischquelle. Wildfleisch ist frei von jeglichen Medikamenten und Wachstumshormonen, dafür voller wichtiger Mineralien und Spurenelemente wie Magnesium, Kalium, Eisen, Zink, Phosphor und Selen. Weil Wildtiere sich permanent bewegen, ist das Fleisch zudem sehr fett- und cholesterinarm. Und: Wildfleisch stammt direkt aus der Natur. Mehr bio geht nicht! Vor allem aber: Wildtiere hatten ein freies, selbstbestimmtes Leben, bevor sie starben. Das ist für mich in Sachen Tierwohl ganz entscheidend.
Vielen Jägern wird unterstellt, es ginge ihnen nur ums Töten. Stimmt das?
Nein. Ich kann natürlich nicht für alle Jäger sprechen, aber den meisten geht es um sehr viel mehr als das Erlegen von Wild. Jagd bedeutet Hege und Pflege, also Natur- und Artenschutz für unsere heimischen Wildtiere. Wir legen Wildäcker und Blühstreifen an, die das ganze Jahr über Futter und Unterschlupf bieten, wir hängen Vogelhäuser und Fledermauskästen auf, legen Salzlecksteine aus, pflanzen Hecken, sammeln Müll, kümmern uns zu jeder Tages- und Nachtzeit um Wildunfälle. Jäger sind staatlich geprüfte Naturschützer, denn sie haben ein enormes „grünes“ Wissen und verbringen sehr viel Zeit in der Natur.
Wie war das anfangs bei Ihnen: War es schwer, ein Tier zu erlegen?
Ich habe meinen Jagdschein mit 19 gemacht und mir beim ersten Stück viel Zeit gelassen. Ich wollte die Sache möglichst vernünftig, schnell und schmerzfrei erledigen. Der Bock ist dann auch direkt zusammengesackt und war sofort tot, so, wie man es sich wünscht. Das hat mich sehr erleichtert.
Haben Sie kein Mitleid mit den Tieren?
Nein. Ich schieße sie ja, um sie zu essen. Ich habe aber definitiv Mitleid mit all den Hühnern, die in kleinen Käfigen sitzen, mit Rindern, die nie ans Tageslicht kommen oder mit Schweinen, die ihr Leben lang in dunklen Boxen verbringen.
Bei Wildfleisch denkt man spontan an komplizierte Festtagsgerichte wie Rehrücken oder Hirschgulasch. Ist Wild auch etwas für die Alltagsküche?
Absolut. Wir essen nur Wild. Ich kaufe überhaupt kein anderes Fleisch ein, außer ich bekomme mal ein Stück Rind von unserem Bauern des Vertrauens, der seine Kühe auf der Weide hält. Ansonsten verwende ich Wild wie jedes andere Fleisch. Man kann es durch den Wolf drehen und als Hackfleisch in Lasagnen, Nudelsoßen oder Frikadellen verarbeiten. Man kann es als Steak in der Pfanne braten oder auf den Grill schmeißen. Man kann Wildfleisch sogar roh essen, als Carpaccio zum Beispiel oder als blutiges Filet. Nur das Fleisch von Allesfressern wie Wildschweinen sollte man nicht roh essen, denn das kann in einigen wenigen Gebieten in Deutschland mit Trichinen belastet sein.
Viele Menschen schrecken vor dem typischen Wildgeschmack zurück. Zu Recht?
Nein, das ist Geschichte. Früher wurde Wildfleisch oft unsachgemäß behandelt, sprich nicht schnellstmöglich gekühlt und musste ewig in Buttermilch liegen, damit der strenge Geschmack verschwindet. Heute schmeckt das Fleisch von Hirsch, Wildschwein und Co. hervorragend, auch ohne jede Sonderbehandlung, denn wir Jäger unterliegen strengsten Vorschriften und achten sehr auf den hygienischen Umgang mit dem wertvollen Fleisch.
Welche ist Ihre Lieblingswildart?
Damwild. Zumindest in der Küche. Das schmeckt einfach super.
Wenn man nicht selbst Jäger ist oder mit einem zusammenlebt, wie kommt man am besten an Wild?
Das ist leichter als gedacht. Viele Metzger haben Wild in ihrer Auslage, auch auf Wochenmärkten findet man oft Anbieter von frischem Wildfleisch, oder man sucht auf der Website „Wild auf Wild“ nach Wildbrethändlern in seiner Nähe. Nur bitte Vorsicht bei Wild aus dem Supermarkt: Meistens stammt das Fleisch von Wildtieren aus Gattern – womöglich sogar aus Neuseeland. Schlimmer als vom anderen Ende der Welt geht der Wildeinkauf nicht.