Wissenschaftler finden Mikroplastik im menschlichen Darm
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Menschen nehmen Mikroplastik täglich auf, zum Beispiel über Zahncreme, Lebensmittel oder Kosmetika, deren Wirkstoffe in die Haut eindringen.
© Quelle: Stefan Sauer/ZB/dpa
Wien. Österreichischen Wissenschaftlern ist es im Oktober 2018 erstmals gelungen, Mikroplastik-Partikel in den Stuhlproben von acht Menschen nachzuweisen. Jetzt haben sie ihre Forschungsergebnisse im Fachjournal „Annals of Internal Medicine“, wo die Qualität der Studie durch unabhängige Gutachter aus dem Fachgebiet beurteilt wird, veröffentlicht.
Für die Pilotstudie führten die auf unterschiedlichen Kontinenten lebenden Probanden im Alter von 33 bis 65 Jahren ein Ernährungstagebuch. Alle Teilnehmer ernährten sich in dieser Zeit unter anderem von Fisch, Fleisch, in Plastik verpackten Lebensmitteln sowie Wasser aus PET-Flaschen. Durchschnittlich fanden die Forscher in zehn Gramm Stuhl etwa 20 Partikel des synthetischen Kunststoffs. In der Untersuchung wurden allerdings nur Teilchen mit einer Größe von mehr als 50 Mikrometern erfasst, wobei ein Mikrometer einem Tausendstel Millimeter entspricht. Ob durch Plastik dieser Größe tatsächlich ein Gesundheitsrisiko für den Menschen besteht, macht die Studie allerdings keine Aussage.
Erst im August hatte auch die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Studie zu Mikroplastikpartikeln im Trinkwasser veröffentlicht. Eine Gefahr für den menschlichen Körper konnten die Forscher bisher noch nicht nachweisen.
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Gutachter bewerten das Gesundheitsrisiko
„Plastik selbst ist im Körper nicht reaktiv, und es werden keine toxischen Abbauprodukte gebildet. Plastikpartikel können, wenn auch in geringerem Ausmaß als Nanopartikel, niedermolekulare Substanzen binden und so in den Körper transportieren. Aufgrund der hydrophoben Eigenschaften der Plastikoberfläche können dies Weichmacher, polychlorierte Biphenyle, sowie Insektizide, Herbizide und Fungizide sein. Die Menge dieser Toxine im menschlichen Gastrointestinaltrakt könnte durch die Anwesenheit von Mikropartikeln gesteigert werden, wobei es abhängig von der Stärke der Bindung an die Partikel ist, ob dies zu einer erhöhten Resorption dieser Stoffe führen kann“, erklärt die Forscherin Eleonore Fröhlich von der Medizinischen Universität Graz.
Auch Professor Eicke Latz vom Universitätsklinikum Bonn beurteilt das Gesundheitsrisiko kritisch: „Sollte es sich in Experimenten künftig zeigen, dass Mikropartikel chronische Entzündungsreaktionen hervorrufen können und ein kausaler Zusammenhang der Aufnahme dieser Plastikpartikel mit der Entstehung von Erkrankungen besteht, wäre es spätestens an der Zeit, die Aufnahme dieser Plastikpartikel soweit wie möglich zu reduzieren."
Um Mikroplastik tatsächlich aus der Umwelt zu verbannen, sehen die Umweltexperten vom WWF nur einen Weg: Ein globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung. Denn bisher gelangen laut WWF jedes Jahr bis zu 13 Millionen Tonnen Plastikmüll in unsere Meere und in Folge dessen auch in die Mägen von Walen, Seehunden und verschiedenen Vogelarten. In früheren Untersuchungen fand man bereits größere Mengen Mikroplastik im Magendarmtrakt von Tieren, doch auch in Blut und Organen konnten Bestandteile von Plastik nachgewiesen werden.
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Wie gefährlich ist Mikroplastik für den Menschen?
Unter Mikroplastik versteht man laut einer Definition der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) mikroskopisch kleine Plastikpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 5 Millimetern. Die winzigen Teilchen gelangen auf verschiedenen Wegen in die Umwelt. In unserem Alltag nehmen wir tausende dieser Partikel auf, zum Beispiel über synthetische Textilien, Reifenabrieb, Zahncreme oder Kosmetika. Über die Gewässer landet der Plastikmüll schließlich auch in unserer Nahrung oder in abgefülltem Trinkwasser.
Was die Studie nicht beantwortet, ist die Frage, ob Mikroplastik nicht nur mit dem Stuhl ausgeschieden wird, sondern über die Darmbarriere in den menschlichen Körper eindringen kann. „Laut EFSA können Plastikteilchen kleiner als 150 Mikrometer Durchmesser prinzipiell die Darmbarriere durchtreten", so Professor Dr. Dr. Alfonso Lampen vom Bundesinstitut für Risikobewertung Berlin (BfR). Eine Verteilung im Körper sei aber nur bei Partikeln kleiner als 1,5 Mikrometer zu erwarten. "Mögliche Reaktionen könnten Inflammation oder oxidativer Stress sein. Vergleichbare Substanzen, die zu einer Toleranz geführt haben können, sind nicht bekannt. Eher wahrscheinlich ist ein Vergleich zu natürlichen Partikeln wie Sand und Staub.“
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Weitere Forschung notwendig
Einen Zusammenhang zwischen dem Ernährungsverhalten der Probanden und der Belastung des Darms mit Mikroplastik konnten die österreichischen Wissenschaftler wegen der Größe der Studie nicht herstellen. „Die Aussagekraft der Studie ist selbstverständlich limitiert durch die geringe Probandenanzahl", fügte Fröhlich hinzu. "Nachdem von 100 Gramm Stuhl nur zwischen 8 und 39 Gramm gesammelt und sieben Gramm schließlich untersucht wurden, stellt sich die Frage, wie repräsentativ die Partikelanzahl für die ganze Probe ist. Des Weiteren ist unbekannt, ob die Partikel nach der Stuhlaufarbeitung tatsächlich noch als Mikropartikel vorlagen oder es zu Agglomeration oder Abbau der Partikel kam. Dies hätte eine Unter- beziehungsweise Überschätzung der gemessenen Partikel zur Folge.“
„Was hat das nun für eine Bedeutung und Relevanz für die Gesundheit? Diese Frage ist nicht beantwortet", stellt auch Latz fest. Bis auf diesem Forschungsgebiet eine größer angelegte Studie durchgeführt werden kann, ließen sich hierzu nur Vermutungen anstellen.
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Michèle Förster/RND