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WWF-Report: Weltweit massiver Schwund bei vielen Tierbeständen

Als besonders gefährdete Tiere nennt der WWF unter anderem den Östlichen Flachlandgorilla im Kongo.

Als besonders gefährdete Tiere nennt der WWF unter anderem den Östlichen Flachlandgorilla im Kongo.

Berlin. In den vergangenen Jahren haben sich die Umweltkatastrophen gehäuft. Wälder in Australien und Brasilien brennen, die Erde trocknet weiter aus und Eismassen schmelzen. Was der Umwelt schadet, kann auch für die Tierbestände lebensbedrohlich werden. Wie sehr, belegt nun eine neue Untersuchung. Der am Donnerstag veröffentlichte Living Planet Report 2020 der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London zeigt, dass zahlreiche Tierbestände weltweit in den vergangenen Jahrzehnten um mehr als zwei Drittel geschrumpft sind.

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Damit hat sich der Wert im Vergleich zur vergangenen Ausgabe von 2018 weiter verschlechtert. Einbezogen wurden nun Bestände von mehr als 4400 bedrohten und nicht bedrohten Wirbeltierarten, also nur ein kleiner Ausschnitt der Tierwelt. Insekten wurden nicht einberechnet. Der WWF spricht von einem neuen Tiefpunkt bei der biologischen Vielfalt. “Wir verlieren die Vielfalt des Lebens auf der Erde”, sagte der Vorstand Naturschutz der Stiftung, Christoph Heinrich, der Deutschen Presse-Agentur. Beim Bericht von 2018 habe der gemessene Rückgang der beobachteten Populationen im Schnitt noch bei 60 Prozent gelegen. Die jetzige Entwicklung sei “extrem besorgniserregend”.

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Rückgang in Latein- und Südamerika am stärksten

Der Rückgang bei rund 21.000 beobachteten Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien zwischen 1970 und 2016 betrage im Durchschnitt 68 Prozent. Die meisten Wirbeltierbestände gehen laut Bericht in Latein und Südamerika verloren, seit 1970 um 94 Prozent. Lateinamerika stehe “herausragend schlecht” da. “Sie haben über 90 Prozent ihrer Tiere verloren”, sagte Heinrich mit Blick auf die dort untersuchten Arten. In Europa liegt das Minus laut Bericht bei 24 Prozent. Auch andere Teile der Welt sind vom kontinuierlichen Schwund der Wirbeltierbestände betroffen.

Die Weltregionen und ihr Rückgang von Tierbeständen in Prozent:

  • Europa und Asien: 24 Prozent
  • Nordamerika: 33 Prozent
  • Asien-Pazifik: 45 Prozent
  • Afrika: 65 Prozent
  • Lateinamerika und Karibik: 94 Prozent

Rückgang von Insekten beeinflusst das ganze Ökosystem

Der Schwund macht auch vor Insekten nicht halt. In unseren Breiten seien die Bestände von 17 Grünlandschmetterlingsarten um 39 Prozent zurückgegangen. Die Gründe dafür liefert der Bericht gleich mit: Der Rückgang der Schmetterlinge sei weitgehend Resultat intensiver Landwirtschaft und der Umbruch von Grünland. "Zur Einordnung dieser Nachricht: Insekten übernehmen in den Landökosystemen eine zentrale Rolle: Sie bestäuben Pflanzen, regulieren Schädlinge, verarbeiten Nährstoffe im Boden und versorgen andere Tiere mit Nahrung,” heißt es im Report.

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Gefährdet: Gorillas im Kongo und Rebuhn in Deutschland

Als besonders gefährdete Tiere nennt der WWF weiter den Östlichen Flachlandgorilla im Kongo, Lederschildkröten in Costa Rica und Störe im Jangtse - bei den letztgenannten liege der Rückgang seit 1970 bei 97 Prozent. In Deutschland sind laut Heinrich zum Beispiel Rebhuhn und Kiebitz von massiven Bestandsrückgängen betroffen. Diese beiden stünden nur stellvertretend für die Vogel- und Insektenarten in der Agrarlandschaft. Hintergrund sei auch hier die landwirtschaftliche Nutzung. Wie es im Report heißt, liegen die meisten Orte ohne menschlichen Fußabdruck in nur wenigen Ländern: Russland, Kanada, Brasilien und Australien.

Untersucht wird im Bericht nicht das Aussterben von Arten. Aber auch schwindende Bestände sind nicht harmlos: Es gehe um Lebensgrundlagen, betonte Heinrich, um Ökosysteme wie sauerstoffliefernde Wälder und fruchtbare Böden zum Beispiel. “Boden ist keineswegs nur Sand.” Unheimlich viele Organismen, auch Pilze, Würmer und Insekten, wirkten zusammen und seien so Basis für den Anbau unserer Nahrung.

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In Feuchtgebieten und Gewässern ist der Rückgang besonders hoch

Noch gravierendere Entwicklungen als aus Regenwäldern kämen aus Feuchtgebieten wie Mooren, sagte Heinrich. Bei den dort lebendenden untersuchten Arten liege der Rückgang durchschnittlich bei mehr als 80 Prozent. Gründe seien zum Beispiel, dass Wasser häufig für die Bewässerung der Landwirtschaft entnommen werde oder Flüsse zur Gewinnung von Elektrizität angestaut würden. Das Anstauen etwa verändere alles für Fische, Muscheln und andere Organismen.

Weltweit seien seit 1700 fast 90 Prozent der Feuchtgebiete verloren gegangen. Die größten Verluste seien bei Süßwasseramphibien, Reptilien und Fischen zu beobachten – laut Bericht in allen Regionen der Erde und insbesondere in Lateinamerika und der Karibik.

Drei Schutzmaßnahmen einhalten

Der WWF-Vorstand betonte, ein Gegensteuern sei möglich, aber die nötigen Schritte politisch nicht einfach durchzusetzen. Vor allem drei Maßnahmen hält Heinrich für wichtig: Mehr Schutzgebiete, verträglichere Landnutzung vor allem in der Landwirtschaft und das Aufhalten des Klimawandels, der als neue Belastung dazukomme - aber noch nicht die dominierende Gefahr sei. Positivbeispiele gibt es laut Heinrich aber durchaus: Bestände großer Vogelarten wie des Seeadlers hätten sich in Deutschland dank gezielter Schutzmaßnahmen erholt.

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Die genutzten Daten - laut Report wurden fast 4000 Quellen herangezogen - sind Heinrich zufolge repräsentativ gut verteilt. Berücksichtigt worden seien etwa Bestände aus allen Klimazonen, Kontinenten und aus verschiedenen Lebensräumen, von Wäldern bis Süßwasser. Der Datensatz verbessere sich auch von Bericht zu Bericht. Laut Report sind es zunehmend auch sogenannte Bürgerwissenschaftler, die sich beim Zählen von Tieren engagieren.

RND/dpa/ame

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