Sind RNA-Viren im Meer mögliche Klimahelfer?
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Gerade in den Polargebieten haben die Forschenden viele RNA-Viren im Wasser entdeckt.
© Quelle: Marin Le Roux/Tara Ocean Foundat
Columbus. Erst vor zwei Monaten hatte ein internationales Forschungsteam nach einer weltweiten Expedition im Fachblatt „Science“ Tausende bis dahin unbekannte RNA-Viren vorgestellt, die im Meer leben. Nun stellt das Team in der gleichen Zeitschrift einige spezielle Eigenschaften dieser Viren vor. Viele von ihnen beeinflussen demnach vermutlich den globalen Kohlenstoffkreislauf – und damit auch das Erdklima.
Ozeanische RNA-Viren sind noch zu wenig erforscht
Bisher habe sich die Meeresforschung auf DNA-Viren konzentriert, schreibt das Team. Deren Erbmaterial besteht aus Desoxyribonukleinsäure (DNA) – ähnlich wie bei Pflanzen und Tieren. Zu den bekannten DNA-Viren zählen etwa Adeno-, Herpes- und Pockenviren. Im Gegensatz dazu besteht das Erbgut der RNA-Viren aus Rinonukleinsäure (RNA). Beispiele dafür sind unter Krankheitsverursachern etwa der Covid-19-Erreger Sars-CoV-2 sowie Masern- und Ebola-Viren.
Gerade über die im Meer lebenden RNA-Viren wisse man noch sehr wenig, schreibt das Team um Matthew Sullivan von der Ohio State University in Columbus. Bei einer weltweiten Expedition mit dem französischen Forschungsschiff Tara hatte die Stiftung Tara Ocean Foundation weltweit Wasserproben entnommen. Nach deren Analyse stellte das Team im April mehr als 5500 bislang unbekannte ozeanische RNA-Viren vor.
RNA-Viren vor allem in den Polargebieten verbreitet
In der aktuellen Arbeit präsentieren die Forschenden nun weitere Erkenntnisse zu den Viren, die vor allem auf genetischen Analysen basieren. Demnach lassen sich die ozeanischen Virenarten nach nur vier Verbreitungsgebieten einteilen: der Arktis, der Antarktis, der Gebiete mit gemäßigtem und tropischem Klima nahe der Wasseroberfläche sowie Gebieten mit gemäßigtem und tropischem Klima in einer Tiefe von 200 bis 1000 Metern.
Anders als bei den meisten Lebewesen ist die Vielfalt der RNA-Viren in den Polargebieten überraschend groß. Daraus leitet das Team unter anderem ab, dass hier viele Virusarten die gleichen Wirte haben. „Wir sehen zwar weniger Arten von Wirten, aber mehr Virenarten, die die gleichen Wirte infizieren“, sagt Co-Autor Ahmed Zayed.
Viren beeinflussen Kohlenstoffkreislauf
Bei den Wirten konzentrierte sich die Gruppe auf Phytoplankton, das sowohl die Basis der Nahrungskette bildet als auch stark an der Einlagerung von Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre beteiligt ist – an der sogenannten biologischen Kohlenstoffpumpe. Denn bei der Photosynthese des Phytoplanktons lagern die Organismen unter Aufnahme von CO₂ Kohlenstoff als Biomasse ein. Wenn die Organismen nach ihrem Tod auf den Meeresboden sinken, kann der eingelagerte Kohlenstoff dort mitunter Jahrhunderte überdauern. Für diese Zeiträume ist er der Atmosphäre entzogen.
Genomanalysen deuten darauf hin, dass ozeanische RNA-Viren den Stoffwechsel ihrer Wirte, vor allem von Plankton und wirbellosen Tieren, stark beeinflussen. Da diese Organismen am Umsatz von Kohlenstoff beteiligt sind, vermutet das Team, dass RNA-Viren den globalen Kohlenstoffkreislauf zentral beeinflussen. Insgesamt 1243 der gefundenen RNA-Viren greifen demnach vermutlich in solche Netzwerke ein.
Besonders deutlich war der Zusammenhang bei elf Arten, die bestimmte Algengruppen – Chlorophyten und Haptophyten – als Wirte nutzen. „Diese Algen gelten als entscheidende Bestandteile der biologischen Kohlenstoffpumpe“, schreibt das Team. Die genaue Rolle der RNA-Viren für die Ozeane und den Kohlenstoffkreislauf müsse jedoch noch geklärt werden.
RND/dpa
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