Treibhausgasemissionen 2022 um fast 2 Prozent gesunken – jedoch Anstieg im Energiesektor
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Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos. Das Umweltbundesamt (UBA) hat am Mittwoch in Berlin seine Schätzung zum Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase im Jahr 2022 vorgestellt. (Symbolbild)
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Berlin. Der Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen ist in Deutschland nach vorläufigen Zahlen im vergangenen Jahr leicht um 1,9 Prozent gesunken. Es seien gut 15 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase als 2021 freigesetzt worden, teilte das Umweltbundesamt (UBA) am Mittwoch in Berlin mit. Die Zahlen sind noch vorläufig – endgültige Werte stehen erst zu Beginn des kommenden Jahres fest.
Dem Umweltbundesamt zufolge sind die Emissionen seit 1990 in Deutschland damit um 40,4 Prozent gesunken. Doch im Bereich der Energie gebe es einen deutlichen Anstieg. Demnach kommt der Sektor auf 10,7 Millionen Tonnen mehr Treibhausgase als im Jahr 2021. Grund dafür seien die Einsparungen beim Erdgas – stattdessen setzte die Industrie vermehrt auf Stein- und Braunkohle.
Erhöhter Ausstoß auch im Verkehr
„Trotz des insgesamt rückläufigen Energieeinsatzes vor allem in der Industrie hat sich der Anstieg der Treibhausgasemissionen aufgrund des erhöhten Einsatzes von Stein- und Braunkohlen in der Energiewirtschaft seit dem Sommer 2022 abgezeichnet“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner. „Dem wird die Bundesregierung jetzt mit einem Klimaschutz-Sofortprogramm entgegenwirken müssen – die Aufgabe ist aber von der gesamten Gesellschaft zu bewältigen.“
Auch im Verkehr erhöhte sich der Ausstoß. Er sei der einzige Sektor gewesen, der gleichzeitig im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme verzeichnet und die zulässige Emissionsmenge für 2022 überstiegen habe. Trotz der besonders hohen Kraftstoffpreise und des 9-Euro-Tickets im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) seien die Emissionen des Straßenverkehrs wieder gestiegen, erläuterte das UBA.
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Habeck will „den Verkehrssektor angehen“
Mit Blick auf die vorläufige Treibhausgasbilanz betont Bundesklimaschutzminister Robert Habeck den Handlungsbedarf unter anderem im Verkehr. Es gelte jetzt, die Klimaziele zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, erklärte Habeck in einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Mitteilung. „Schneller beim Ausbau der Erneuerbaren, entschlossen weiter im Wärmebereich, höhere Effizienz bei der Nutzung von Energie und engagierte Dekarbonisierung der Industrie. Und den Verkehrssektor angehen.“
„Die heutigen Zahlen spornen an und überraschen teilweise sogar“, stellte Habeck fest. „Ich hatte angesichts der Folgen des russischen Angriffskriegs mit schlechteren Zahlen im Energiebereich gerechnet. Denn schließlich haben wir im letzten Jahr eine Menge alter Kohlekraftwerke ans Netz nehmen müssen.“ Das liege maßgeblich an der neuen Dynamik beim Ausbau erneuerbarer Energien.
Ziel der Bundesregierung ist es, in Deutschland bis zum Jahr 2045 Treibhausgasneutralität erreicht zu haben. Es soll dann also ein Gleichgewicht zwischen Treibhausgasemissionen und deren Abbau herrschen.
Umweltverbände kritisieren verfehlte Klimapolitik – und Bundeskanzler Olaf Scholz
Umweltverbände sehen die vorläufigen Zahlen zu den deutschen Treibhausgasemissionen für 2022 als Beleg für eine verfehlte Klimapolitik und nehmen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für einen Kurswechsel in die Pflicht. Die Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Antje von Broock, sprach am Mittwoch in Berlin von einem Rechtsbruch der Koalition. Nur der Rückgang der Industrieemissionen rette die Klimaziele der Regierung. Sondereffekte wie ein milder Winter und die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine schönten die Bilanz.
Der Präsident des Naturschutzbundes (Nabu), Jörg-Andreas Krüger, sieht Bundeskanzler Olaf Scholz in der Pflicht. Von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sei nicht zu erwarten, dass er in seiner Amtszeit noch ernsthafte Ambitionen zum Klimaschutz entwickele, sagte Krüger. Mit Blick auf Wissing fragte er: „Warten wir auf das Ende seiner Amtszeit oder erzwingt Bundeskanzler Scholz endlich die Wende?“
Greenpeace-Klima-und-Verkehrsexperte Benjamin Stephan kritisierte, Wissing bremse eine klimafreundliche Verkehrspolitik national und europaweit. „Heute bekommt Deutschland die Quittung für zögerliche Anstrengungen bei der Verkehrswende und die Klimaschutzblockaden der FDP“, sagte Stephan. Jetzt müsse Scholz dafür sorgen, dass das Klimaschutzgesetz Bestand habe und die gesamte Bundesregierung die rechtlichen Verpflichtungen umsetze. Auch Stefanie Langkamp, Geschäftsleiterin Politik der Klima-Allianz Deutschland, betonte in Richtung Scholz: „Der im Wahlkampf selbsternannte ‚Klimakanzler‘ steht jetzt in der Pflicht, umgehend zu handeln.“
Die Deutsche Umwelthilfe sieht in den Zahlen des Umweltbundesamtes einen Beleg für einen „erneuten und anhaltenden Klimarechtsbruch der Bundesregierung im Verkehrs- und Gebäudesektor“. Die Organisation kündigte an, mit ihren teils seit 2020 anhängigen Klagen gegen die Überschreitungen in den Sektoren Verkehr und Gebäude noch in diesem Jahr den dringend notwendigen Kurswechsel juristisch durchzusetzen.
RND/dpa